Verfressene Viecher
In der Schweiz entlocken die pelzigen Besucher aus dem Wald ein verzücktes „Ahh“ und „Ohh“, in Kanada sind sie den Einheimischen nicht mal einen Blick wert: Eichhörnchen. Wer sie fotografiert, muss ein Tourist sein. Denn in Nordamerika hoppeln, klettern und hangeln sich die grauen und braunen Tiere, wo sich gerade ein paar Bäume befinden. Sie sind überall. Und gerade in den kalten Wintermonaten besonders verfressen. Der „Jööh-Moment“ ist bei mir auch nach drei Monaten noch nicht verflogen, genauso wie das Mitgefühl, wenn mal wieder ein lebloses braunes Pelzhäufchen am Wegrand liegt.
Mögen die Morgen noch so klirrend kalt sein, Eichhörnchen – einzeln oder zu zweit – jagen durchs kahle Geäst, flitzen über das steinhart gefrorene Gras in der Hoffnung, eine weichere Stelle zu finden, um zu vergraben oder auszubuddeln, was sie am liebsten mögen: Erdnüsse. Ich weiss, füttern sollte man die Tiere natürlich nicht, sind sie doch schon so dick und zutraulich genug. Aber einmal ein Nüsslein hie und da fallen lassen, gerade wenn der Wind besonders erbarmungslos bläst, sollte doch keine Sünde sein. Und schliesslich sind Erdnüsse eine bessere Hauptnahrungsquelle als offene Abfalltonnen.
Aus der Hand fressen würden kanadische Eichhörnchen aber trotzdem nicht, was auch gut ist. Haben sie auf dem Boden eine frische Erdnuss gefunden, scheinen alle Tiere dem gleichen Qualitätscheck verfallen. Mit den starken Vorderzähnen gepackt, lassen sie die Nuss erst einmal in ihre beiden Vorderpfoten gleiten. Sie wird dann eingehend gedreht und gewendet, als würden Eichhörnchen sie auf faule Stellen untersuchen.
Nach wenigen Sekunden hat das Produkt aber überzeugt, und mit ihren Zähnen beginnen die Tiere, die Schale in Windeseile wegzuraffeln. Die Erdnuss drehen sie dabei im Kreis, bis das Innere freigelegt ist. Jetzt kann der Festschmaus beginnen. Aber aufgepasst: Neider und Erdnuss-Diebe sind nie weit, deshalb suchen sich die meisten Tiere den nächstbesten Baum. Sicher ist sicher.