Royale Herrlichkeit
Thailand ist in diesen Tagen ein noch wilderes Pflaster als sonst, besonders Bangkok. Während in der Hauptstadt seit Tagen Steine und Gummischrot fliegen, spürt man im Norden des Landes von Strassenkämpfen und möglichem Regierungssturz wenig. An einem Tag aber ruht jegliche Gewalt und den Menschen ist zum Feiern zumute: am 5. Dezember. Der Besuch eines Festes von königlichem Ausmass.
Wenn ein junger Schweizer, nennen wir ihn spontan Julian, seinen Kollegen erzählt, er reise nach Thailand, findet er sich unweigerlich in der Rechtfertigungsrolle wieder. Klar, Thailand geniesst neben Traumstränden und viel Sonne auch noch einen etwas anderen Ruf. Die Sündenpfuhle Bangkok, Phuket und Pattaya sind bekannt und berüchtigt. Es gibt aber durchaus noch andere Regionen in Thailand, die weitaus weniger (sex-)touristisch sind. In der nördlichen Provinzstadt Udon Thani etwa braucht man sich vor Heerscharen von Prostituierten, Betrügern und Klauern nicht fürchten. Das Leben geht hier oben auch kurz vor Weihnachten weitaus gemächlicher als anderswo. Ausser am 5. Dezember, dann strömen die Thais zu Tausenden auf die Strassen und feiern ihren Bhumibol.
Thailand ist ein Königreich, das wird auch jedem Unwissenden schnell ersichtlich. Das royale Konterfei grüsst vor jeder Schule, vor jedem Amtsgebäude, vor Spitälern, Einkaufsläden und Privathäusern. Selbst im Kino ist man vor dem Mann, der den 90 zugeht, nicht gefeit: Vor jedem Spielfilm zeugen Diabilder vom spektakulären Leben des Bhumibol, gefühlsschwanger untermalt durch kindlichen Lobgesang. Selbstverständlich wird zu dieser Hymne aufgestanden und andächtig geschwiegen. Der Film kann schliesslich warten.
Der Geburtstag des Königs ist nicht bloss irgendein Feiertag. Es ist einer, der die Einigkeit des Landes demonstriert. Denn der König wird geliebt (und nicht gefürchtet) – das zumindest lässt sich sagen, nachdem ich mit einigen jungen Einheimischen gesprochen habe. Dass der Mann in der Live ausgesrahlten Sondersendung weitaus älter und gebrechlicher aussieht als auf all den aufgestellten Fotos, tut dem ganzen Hype keinen Abbruch.
Am 5. Dezember ruhen Schule und Arbeit (ausser in allen Verkaufsläden, selbstverständlich), denn dieser Tag soll gebührend gefeiert werden. Auf den Strassen und Plätzen machen sich Essensstände und Jahrmärkte breit. Die engen Gassen sind mit Besuchern vollgestopft, vorwärts kommt man höchstens noch zu Fuss, mit dem Velo oder Tuktuk. Das Abendprogramm kommt dann nochmals eine Stufe spektakulärer daher: Lunaparks leuchten, Bars und Nachtclubs wummern. In einem provisorischen Ring gibt’s Thai Boxen zu sehen. Getoppt wird schliesslich alles mit einem krachenden Feuerwerk über dem städtischen See. Wer daneben die ganzen grell geschmückten Tannenbäume und falschen Samichläuse sieht, dem sollte eigentlich ganz feierlich zumute werden. Doch Weihnachte ist für mich in Asien bei fast 30 Grad Prachtswetter so fern wie Thailand der Schweiz.
Wer das Glück hat wie ich, wird dank einer miserabel gespielten aber dennoch gewonnenen Billiard-Partie von Lokalen den ganzen Tag durch die Stadt geführt. Langeweile oder Hungerattacken brauche ich dabei nie fürchten. Westliche Touristen in meinem Alter sind hier, im Gegensatz zu Laos, bei solchen Herrlichkeiten so gut wie gar nicht zu sehen. Und die ältere Generation aus Europa hat für des Königs Geburtstag freilich wenig Zeit und Musse, ist sie doch in der einen kleinen Strasse und ihren Girl-Bars verzweifelt auf der Suche nach einem jüngeren Gegenüber. Thailand eben…