Der treue Hund von Tokyo

Hat man sich an den Kulturschock gewöhnt, gibt es in Japan immer noch Probleme, deren Lösung nicht leicht ist:

1. Wie und wo treffe ich jemanden an einem belebten Platz?

2. Wie finde ich diese Person, wenn weder Handynetz, noch Wifi funktionieren?

3. Und wo zur Hölle schmeisse ich meinen Abfall hin?

Für die erste Frage wählen wir einen Schauplatz: Shibuya Station, einer der belebtesten Orte in Tokyo und ein Epizentrum von wummernden Bässen, schrillen Stimmen, flimmernden Leuchtreklamen und Abertausenden von Menschen. Shibuya Station verfügt über vier Stockwerke, mehr als 25 verschiedene Ausgänge, Plattformen für die JR Rail, mehrere Metrolinien und eine Circle-Line, die Rund um Tokyo führt. Um sechs Uhr abends habe ich mich mit meinem Kollegen Travis verabredet. Er kommt direkt aus New York und wird mit mir einige Tage durchs Land reisen. Was uns zum zweiten Problem führt: Wer Japan bereist, kann weder auf einen Handynetzempfang, noch auf Wifi-Spots zählen. Die sind im Land der aufgehenden Sonne so rar gesät wie sonst kaum wo. Selbst Ketten wie Mc Donalds oder Starbucks verfügen selten über eine gut funktionierende Verbindung.

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Also gilt bei Verabredungen das alte Prinzip: Einen guten Standort vereinbaren, pünktlich sein und die Augen offen halten. Wenn man sich in Shibuya mit jemandem trifft,kommt man am besten auf den Hund. Nicht auf irgendeinen, sondern auf einen ganz bestimmten. Er ist der berühmteste Hund Japans, jeder Kriegsveteran, jeder Geschäftsmann, jeder Schüler und jedes Kind kennt ihn. Hachiko, der treue Hund von Tokyo. Seine Geschichte scheint unglaublich und rührt zu Tränen:

1923 in der Präfektur Akita geboren, zog das Tier mit seinem Herrchen nach Tokyo, wo es den Universitätsprofessor jeden Abend vom Bahnhof Shibuya abholte. Doch das Schicksal wollte es, dass der Professor während einer Vorlesung an einer Hirnblutung starb. Hachiko wurde  zu Verwandten gebracht, doch er riss sich von der Leine los und floh, zurück nach Shibuya. Dort wartete er vor dem Bahnhof. Jeden Abend. Zehn Jahre lang. Auf sein Herrchen, das nie mehr kommen sollte. Als Hachiko 1935 starb, berichteten die Medien landesweit, ihm zu Ehren wurde eine Bronzenstatue vor dem Bahnhof errichtet, der Westausgang heisst heute offiziell Hachiko-Exit.

Für viele Tokyoter, Japaner und Touristen ist die Statue ein beliebtes Fotosujet und ein idealer Treffpunkt, denn eine Hachiko-Statue gibt es nur einmal. Und es funktioniert tatsächlich: Kurz nach sechs sitzt Travis neben der Statue. Wir haben uns gefunden, ganz ohne Telefon und Internet.

Ach ja, und mit der dritten Frage ist das so eine Sache: in ganz Tokyo und in Japan allgemein findet man praktisch keine Mülleimer auf der Strasse. Und auch keinen Abfall am Boden. Entweder bringt man den ganzen Müll zu einem kleinen Supermarkt, oder nimmt ihn zurück ins Hotelzimmer. Dort gibt es, wenn man Glück hat, auch Wifi.