Wo ist die heisse Lava?

Hawaii ist ein seltsames Fleckchen Erde. Hier, mitten im pazifischen Ozean, scheinen die Uhren definitiv anders zu ticken als im Rest der Welt. Der Begriff Hektik ist so weit entfernt wie das Festland – oder eine sichere Wettervorhersage. Letztere gibt es nicht, und braucht es nicht, denn auf den Inseln von Hawaii wechselt das Wetter sowieso ständig. Nur eines ist sicher: Einen Pullover oder eine Jacke braucht man in der Regel nie.

Das Wetter… Einige Regionen der Inseln Maui oder Big Island scheinen ob der ständigen Dürre schier einzugehen, andere quillen vor Vegetation und Dschungelleben regelrecht über. Hier ist’s nicht nur heiss, sondern auch schwül. Jahrein, jahraus. Deshalb wird auch beinahe alles, was nicht draussen ist, gnadenlos unter 20 Grad gekühlt. Denn wenn die Sonne einmal brennt, und das tut sie trotz der vielen Wolken ziemlich oft, wird es heiss. Sehr heiss sogar. Und diese hawaiianische Sonne ist tückisch: Eine Hautstelle beim Strandbaden mit Sonnencreme ausgelassen, schon leuchtet sie abends rubinrot.

An das entschleunigende Inselleben haben wir uns aber schnell gewöhnt. Auf unseren drei Inselbesuchen Maui, Big Island und Oahu können wir uns perfekt am Tempo der vielen polynesischen Inselbewohnern anpassen – ausser auf der Strasse. Wie die Einheimischen Autofahren, ist, wie wir jeweils zu sagen pflegen, das Hinterletzte. Die fetten Pick-Ups und Midsize-Wagen tuckern auf den sich schnörkelnden Strassen, als wären deren Fahrer vollends mit den hawaiianischen Hula-Klängen eingelullt, die hier an jeder Ecke gespielt werden. Pausenlos. Vielleicht ist diese Musik mit ein Grund, weshalb die Hawaiianer mit einer derartigen Offenheit und Herzlichkeit auftrumpfen, dass es einem als zurückhaltenden Schweizer fast peinlich ist.

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Wer Outdoor-Aktivitäten liebt, ist auf Hawaii genau richtig. Hier gibt es unzählige Traumstrände mit weissem, braunem, schwarzem und sogar grünem Sand. Hier gibt es hohe Berge und waldige Täler. Hier lässt sich mit Delfinen schnorcheln, von Felsvorsprüngen in Lagunen springen – mit Blick auf Wasserfälle inklusive. Auf Big Island wartet eine Menge aktiver Vulkane, die das Land mit ihrer ausspuckenden Lava ständig vergrössern. Allerdings bleiben wir auf der Suche nach den berühmten Lavaströmen, die ins Meer fliessen, erfolglos. Was wir einzig zu sehen bekommen, ist kalte Lava, die vor Jahren schon eine ganze Strasse unter sich begraben hat. Vielleicht hatten wir auch nur Pech und warteten an der falschen Stelle. Die Lava richtet sich schliesslich nicht nach einem fixen Besuchsplan von 8 bis 17 Uhr.

Dafür kommen wir in Hilo, der Stadt fernab jeglicher Touristenströme, zu einem Erlebnis der besonderen Art: Wir übernachten in einem Bambusverschlag eines Hostels, der nur mit einem Wellblechdach überzogen ist. Die nahen Dschungelgeräusche dringen ungefiltert in unser kleines Zimmer. Und Geräusche sind da viele. Doch herausstechen tut eine Mischung aus rufen und quietschen, als würden Tausende Quietschenten gleichzeitig gedrückt. Dieses ohrenbetäubende Konzert dauert vom Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang. Keine Vögel, wie wir zuerst glauben, sondern kleine eingeschleppte Frösche aus Puerto Rico. Da sie keine Fressfeinde vorfinden, können sie sich ungehindert vermehren. Die Einwohner akzeptieren das – zähneknirschend.

Schon bald geht die Reise von hier zurück nach Honolulu, wo wir einige Tage das ausschweifende Leben von Waikiki geniessen möchten. Und ausser Stadt, Strand und Sonne einfach mal nichts tun wollen. Am 1. Oktober trennen sich unsere Wege. Meinen geschätzten Reisekumpanen Thomas zieht es südwestlich nach Australien und Singapur, mich nach Japan. Nach dreieinhalb Jahren bin ich gespannt, was sich im Land der aufgehenden Sonne alles verändert hat, oder noch immer so ist, wie es immer schon war.